Wo die Wildkatze im Waldviertel jagt
4. Juni 2020Kleines Atlantis im Waldviertel
11. Juni 2020Der Lebzelter Philipp Waldhans geht nicht mit der Zeit, und das ist gut so. »Wir fertigen unsere Produkte fast ausschließlich ohne Maschinen. Die Grundrezepte wurden innerhalb unserer Familie mündlich überliefert.« Der Stammbaum der Familie Rachenzentner, Lebzelter aus Mödling, ist bis 1630 dokumentiert. »Adam Rachenzentner war zu diesem Zeitpunkt Lebzelter in Mistelbach«, erzählt Waldhans. Nach Adam übten noch weitere fünf Generationen das süße Handwerk in der Weinviertler Stadt aus. Schließlich erwarben Vinzenz und Anna Rachenzentner 1807 in Mödling den Herzoghof, ein üppig mit ornamentalen Malereien verziertes Bauwerk aus dem 15. Jahrhundert. Die Lebzelter-Dynastie führte ihr Gewerbe von nun an im Zentrum Mödlings bis 1988 weiter, danach blieb der Betrieb für zwölf Jahre geschlossen. 2011 übergab Herbert Rachenzentner das Unternehmen an seinen Großcousin Philipp Waldhans. Obwohl aus einer Seitenlinie der Familie, führt der gelernte Koch das alte Traditionshandwerk weiter.
Die Konterfeis der Ahnen
Die Verkaufsstätte ist zum Teil noch mit der Originaleinrichtung aus 1807 bestückt, in einer Vitrine werden Model, Ausstecher, Teigrollen und Gipsabgüsse mit diversen Motiven von anno dazumal präsentiert, an den Wänden hängen Gemälde mit den Konterfeis der Ahnen. Auch eine Niederschrift der Vorfahren über »die Lehre des Lebzelters« existiert noch. Die Notizen, feinsäuberlich in Kurrentschrift und mit Tinte niedergeschrieben, werden außerhalb der Betriebsräumlichkeiten verwahrt.
Weinbeisser und Afrikaner
Knapp 50 verschiedene Lebkuchensorten produzieren Waldhans und seine Mitarbeiter in der Backstube. Sein Lebkuchenteig besteht wie schon bei seinen Ahnen aus heimischen Ingredienzien, die älteste Spezialität des Betriebs ist der Afrikaner, mit dem Vinzenz und Anna Rachenzentner schon vor 200 Jahren Mödlinger Naschkatzen verwöhnten. Bei dieser Variation wird der Lebkuchen mit Rosinen und kandierten Früchten gefüllt und danach mit Schokolade ummantelt. Der Verkaufsschlager ist aber nach wie vor der Weinbeisser, ein Klassiker aus der Region. Früher war es beim Heurigen üblich, den biskottenförmigen Lebzelten mit Zuckerglasur in den sauren Wein zu tunken. Die unterschiedlichen Leckereien aus dem Mödlinger Traditionsbetrieb sind weicher und saftiger als die industriell gefertigte Supermarktware.