Eine Stadt, auf Sand gebaut
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21. September 2020Fast gespensterhaft tauchen am Ende des Weges verfallene und überwucherte Mauern auf, Reste von Häusern, in denen vor mehr als 70 Jahren ein Bäcker sein Brot verkaufte, Kinder zur Schule gingen, ein Zahnarzt ordinierte. Schautafeln mit alten Schwarz-Weiß-Fotos bezeugen stumm den ganz normalen Dorfalltag in der Zwischenkriegszeit. Halbwegs intakt sind nur der Florianibrunnen am Kirchberg, die Kirche und der dazugehörige Friedhof. Mal ist es ganz ruhig im Geisterdorf, dann wird die Stille von Kanonendonner und überfliegenden Kampfflugzeugen des Bundesheeres unterbrochen. Denn Döllersheim liegt am Rande des 160 m² großen Truppenübungsplatzes Allentsteig und ist der einzige Ort auf dem Gelände, der für Besucher frei zugänglich ist.
Die Ausgesiedelten verloren für immer ihre Heimat
Zwischen 1938 und 1942 wurden im Herzen des Waldviertels 42 Orte sowie mehrere Gehöfte und Mühlen auf Befehl der deutschen Wehrmacht geräumt und knapp 7.000 Menschen ausgesiedelt. Die Pfarre Döllersheim wurde 1942 aufgelöst. Nach dem II. Weltkrieg besetzte die Sowjetischen Armee den Truppenübungsplatz, 1955 nach der Unterzeichnung des Staatsvertrags ging das Areal in den Besitz der Republik Österreich über, blieb jedoch bis heute militärisches Sperrgebiet. Die Ausgesiedelten verloren für immer ihre Heimat. Auch die Wehrmacht und die Sowjets hinterließen Spuren der Zerstörung, doch die größten Verwüstungen begingen die Einheimischen selbst. In den Zeiten des Mangels nach dem Zweiten Weltkrieg trugen Leute aus der Umgebung Teile der Häuser ab und verwendeten sie als Baumaterial. Ohne Dächer, Fenster und Türen verfielen die verlassenen Dörfer rasch.
Gedenkstätte und Führungen
Kirchberg, Kirche und Friedhof von Döllersheim wurden den ehemaligen Bewohnern und deren Angehörigen als Gedenkstätte zur Verfügung gestellt, seit 1957 treffen sie sich einmal im Jahr zu einer Allerseelenfeier. 1986 wurde der Verein „Freunde der alten Heimat“ gegründet, deren Mitglieder sich bis heute um die Gedenkstätte kümmern und auf Anfrage Besucher durch das Ruinendorf begleiten.