Der größte Rhododendron Europas wächst und gedeiht in Breitenstein
1. Juni 2020Wo die Wildkatze im Waldviertel jagt
4. Juni 2020Lange, bevor das Wort „Fabrik“ im Sprachschatz der Menschen existierte, erzeugte ein einziger Arbeiter in Lichtenwörth mit Hilfe von Maschinen täglich 10.000 Nadeln, in den damals üblichen kleinen Manufakturen schaffte eine Arbeitskraft zum Vergleich in der gleichen Zeit gerade einmal eine Nadel. Das Lichtenwörther Unternehmen galt im Habsburgerreich als Tor zur Industrialisierung und ist die älteste noch erhaltene Anlage ihrer Art in Europa, die aufgrund dessen seit 1986 denkmalgeschützt ist.
Die Habsburger brauchten Metallwaren
»Nadelburg« bezeichnete die Einheit der gleichnamigen Fabrik, einer Siedlung und der dazugehörigen Infrastruktur, die 1747 gegründet wurde. Der Betrieb ging 1753 in Staatsbesitz über. Dem Habsburgerreich fehlte es an Waren aus Metall, Messing und Kupferblech, die deshalb teuer aus dem Ausland importiert werden mussten. Darum baute man auf dem Gelände in den nächsten Jahren immer mehr Einzelfabriken und erweiterte die Produktpalette ständig.
Das Dorf im Dorf
Das Knowhow für die Fertigung kam mit den Facharbeitern, die aus Aachen und Nürnberg geholt wurden. Die Zuwanderer produzierten Mörser, Bügeleisen, Gewichte, Glocken, Schnallen, Hämmer, Nadeln und vieles mehr. Trotz aller Anstrengungen gelang es nicht, kostendeckend zu arbeiten und die protestantischen Facharbeiter waren ein Dorn im Auge der streng katholischen Maria Theresia (1717–1780). Um den Kontakt mit den Dorfbewohnern zu verhindern, ließ die Monarchin innerhalb des Areals der Nadelburg eine gemischt protestantisch-katholische Kirche bauen, um die Belegschaft langfristig zu Katholiken umzuerziehen. Eine Art Dorf im Dorf entstand, mehrere hundert Arbeiter mit ihren Familien lebten getrennt von den Ortsansässigen.
Ein goldener Käfig für die Arbeiter
Die von der Außenwelt abgeschottete Anlage verfügte über eine eigene Infrastruktur mit Kirche, Gasthof, Schule, Spital und Fleischerei. Die dem Areal abgewandten Außenmauern der Häuser hatten keine Fenster und Türen, auf der anderen Seite trennte eine rote Ziegelsteinmauer das Werksgelände vom Herrschaftsbereich. Die drei Tore waren verschlossen und wurden ständig bewacht. 1817 und lange nach dem Tod der Monarchin wurde die Nadelburg, die mittlerweile mit Lichtenwörth zusammengewachsen war, von einer Fabrikantenfamilie übernommen und erlebte ihre wirtschaftliche Blütezeit.
Was von der Nadelburg geblieben ist
Nachdem im Zuge der Weltwirtschaftskrise das Nadelburger Metallwerk 1930 für immer seine Pforten geschlossen hatte, wurden Teile der Anlage im Laufe der Jahre geschliffen, weniges vom Fabriksbereich blieb erhalten. Zwei Außenmauern der Nähnadelfabrik ragen noch immer sägezahnförmig in den Himmel, auch die Arbeiterhäuser und der „Lange Gang“ säumen noch den Weg. Ein privat geführtes Museum erstreckt sich mittlerweile auf mehrere Räume und eine Fläche von 200 m². Zwischen April und Oktober an den Wochenenden sind geführte Besichtigungen nach Anmeldung möglich.