Kleines Atlantis im Waldviertel
11. Juni 2020Ein Postamt für die Kaiserin
31. Juli 2020Redigieren ist Schwerstarbeit. Bevor man einen Text publiziert, sollte man ihn unbedingt gegenlesen lassen. Je mehr Gegenleser, desto besser.
„Jessasmariaundjosef!!! k.u.k gab es erst ab 1867!!!, also 37 Jahre NACH dem Tod! von Kyselak, muss heißen „k.k“ (sic). So lautet etwa eine Randnotiz unseres Gegenlesers. Er arbeitet unter anderem als Korrektor (K) und ist leidenschaftlicher Hobbyhistoriker. Was ihn gerade so aufregt, ist eine Passage in unserem Manuskript, ein inhaltlicher Fehler, geschuldet unserem mangelnden Wissen über die Donaumonarchie. Es sind nur noch ein paar Tage, bis das Manu in die Druckerei wandert. Wenige Wochen später werden wir es als gedrucktes Buch in den Händen halten.
Mehrere Schritte beim Redigieren
50 Kapitel sind vorgesehen. Zunächst waren es 50 Rohtexte, die mein CO-Autor und ich einen nach dem anderen rudimentär in die Tasten klopften und dann Schritt für Schritt verfeinerten. Unsere Arbeitsschritte sind bei jedem Projekt gleich, weil sie sich bewährt haben. Die erste Fassung wird zunächst vom Urheber (U), also einem von uns beiden, zwei- bis dreimal redigiert. Falsche Wörter werden durch richtige ersetzt, schlechte durch bessere, zu lange Sätze gekürzt, unnötiges Blabla gestrichen, Füllwörter gekillt sowie Tipp- und Rechtschreibfehler ausgebessert. Anschließend schickt U seinem Co-Autor (C) den Text. Falls C befindet, der Text sei grottenschlecht, muss U das Geschriebene über den Haufen werfen.
Kill your Darlings
Ist das nicht der Fall, ersetzt C falsche Wörter durch richtige, schlechte durch bessere, kürzt zu lange Sätze, streicht unnötiges Blabla, killt Füllwörter und bessert Tipp- und Rechtschreibfehler aus. Manchmal killt er auch die Darlings von U., weil sie völlig Us Darlings sind. C ist diesbezüglich emotional nicht vorbelastet und daher objektiver. Anschließend darf U wieder einen Blick auf den Text werfen.
Sind U und C endlich halbwegs zufrieden mit den Texten, bekommt sie der Verlag. Zunächst bastelt die Grafikerin aus Bildern und Worten ein ansprechendes Layout, danach geht der Lektor (L) ans Werk. Der Text ist nicht sein Baby, daher ist er nicht betriebsblind und bearbeitet das Geschriebene viel unbefangener als U und C Im Anschluss schickt er das überarbeitete Manuskript wieder an U und C zurück.
With a little help from your friends…
Weil U und C den eigenen Text bereits auswendig runterbeten und ihn sowieso nicht mehr sehen können, bitten sie eine Freundin und einen Freund (der oben erwähnte K) um Hilfe. Die Freundin hat früher als Setzerin (S) gearbeitet. U und C mailen den beiden die Letztversion, also das vom Lektor bereits überarbeitete Manuskript. Beide beackern unabhängig voneinander Seite für Seite und markieren alles, was ihnen falsch, unverständlich oder schlecht formuliert erscheint.
K und S sehen vieles, aber oft nicht dasselbe. Mal entdeckt K Rechtschreibfehler oder lästige Wortwiederholungen, die von S übersehen werden, mal ist es umgekehrt. U und C arbeiten die Verbesserungsvorschläge des Korrektur-Duos in ihren Texten ein und übermitteln das Manuskript erneut an L. Der feilt abermals am Manuskript. Und siehe da: Er findet noch immer Fehler oder polierbare Stellen, die bisher weder von K und S, noch von U und C bemerkt wurden. Zehn Augen sehen mehr als vier, 20 hätten noch mehr gesehen. Vier sind eindeutig zu wenig.