Ruinen im Sperrgebiet
17. September 2020Die mit den Wölfen tanzen
24. September 2020Am 28. Juni 1914 um die Mittagszeit nahmen Erzherzog Karl und seine Ehefrau Zita in ihrem abgeschiedenen Anwesen in Reichenau an der Rax gerade das Mittagessen ein, als sie ein Telegramm mit äußerst brisantem Inhalt erreichte. Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gemahlin Herzogin Sophie von Hohenberg waren in Sarajevo ermordet worden. Karl wusste in diesem Moment, er wird der nächste Kaiser. Sein Sohn, Otto von Habsburg, war zu jener Zeit noch ein Kleinkind, dennoch blieb ihm diese schaurige Szene bis ins hohe Alter im Gedächtnis. Es sei gewesen, als ob die Welt stehen bleibt.
Kurzweil für die noblen Gäste
Die Villa Wartholz, erbaut 1870–72, ist ein für Habsburger-Verhältnisse kleines und schlichtes Schloss, das mit viel Noblesse auf einer leichten Anhöhe im Zentrum des Parks thront. Gewundene Wege führen von dem Anwesen weg, vorbei an altem Baumbestand und einem künstlich angelegten Teich mit Bootshaus. Einst sorgten auf dem Areal auch ein Tennisplatz, ein Schwimmbecken und eine Kegelbahn für Kurzweil bei Bewohnern und Gästen.
Zita und Karl verbrachten hier ihre Flitterwochen
Erzherzog Karl Ludwig, der Bruder von Kaiser Franz Joseph I. und Karls Vater, hatte das Domizil erbauen lassen und residierte hier mit seiner Familie 23 Sommer lang. Auch Zita und Karl nutzten es häufig als Sommerresidenz und sogar zum Flittern, ihr ältester Sohn Otto von Habsburg wurde 1912 hier geboren. Heute werden die Salons der Villa Wartholz von den jetzigen Besitzern bewohnt. Betritt man das Gebäude, gelangt man zunächst in eine Halle mit einem Glasbaldachin, von der eine hölzerne Freitreppe in den ersten Stock führt. Linkerhand befindet sich eine Kapelle, in der Messen, Taufen und Hochzeiten im kleinen Rahmen abgehalten werden. Bei der Seligsprechung von Kaiser Karl I. im Jahr 2004 fand hier eine Gedenkfeier für ihn statt.
Von der Habsburgerresidenz zum öffentlichen Treffpunkt
Das letzte offizielle Ereignis im Schloss Wartholz war die Promotion der Maria-Theresien-Ritter durch Kaiser Karl am 17. August 1918, nach dem Ende des Ersten Weltkriegs mussten er und Zita ins Exil. Otto von Habsburg verkaufte die Liegenschaft in den 1950er-Jahren, nach mehrmaligem Besitzerwechsel wurde es 2001 vom Ehepaar Michaela und Christian Blazek erworben. Sie suchten damals einen neuen Standort für ihren Gärtnereibetrieb, die ehemaligen Räumlichkeiten der Schlossgärtnerei waren ideal. Die beiden erweckten das Anwesen in den Folgejahren aus seinem Dornröschenschlaf. Sie revitalisierten und erweiterten das Gebäude und machten einen Teil des Parks der Öffentlichkeit zugänglich. 2006 eröffneten sie ein weitläufiges Geschäft, in dem Dekorations-, Geschenks- und Gartenartikel verkauft werden, sowie ein romantisches Café-Restaurant mit Orangerie und Gastgarten. Seit 2007 wird das Angebot durch eine Kulturschiene ergänzt.